Dendrochronologie
- Der Hohenheimer Jahrringkalender
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Mit Baumringen exakt datieren
Jedes Jahr wird ein Baum um einen Jahrring dicker. Wie breit dieser Jahrring wird, hängt von der jährlichen Witterung und vom Standort ab. Im jährlichen Zuwachs zeichnen Bäume sozusagen Informationen über ihre Umweltbedingungen auf. Daher sind Jahrringe einerseits wichtige Umwelt- und Klimaarchive, aus denen sich wiederum frühere Umweltbedingungen rekonstruieren lassen, andererseits können damit Hölzer aus historischen, archäologischen oder geologischen Kontexten datiert werden.
Unter dem Mikroskop lässt sich die Breite dieser Jahrringe auf dem Baumquerschnitt vermessen und als Jahrringkurve darstellen. Die Kurven von zwei zeitgleich gewachsenen Bäumen sind sich sehr ähnlich.
Ältere und früher gefällte Bäume zeigen im gemeinsamen Wachstumszeitraum vergleichbare Jahrringmuster, reichen aber weiter in die Vergangenheit zurück. Durch schrittweises Übereinanderlegen von Jahrringkurven immer älterer Bäume und Holzproben gelangt man zu einer zusammenhängenden Gesamtkurve, die bis weit in die Vergangenheit zurück reicht. Sie wird als Standardkurve oder Chronologie bezeichnet. Wie alt ein Stück Holz ist, lässt sich durch den Vergleich seiner Jahrringkurve mit dieser Standardkurve auf ein Jahr genau bestimmen.
So entsteht ein Jahrringkalender!
Man beginnt mit der Untersuchung heute gefällter, möglichst alter Bäume. Balken aus Fachwerkhäusern z.B. sind noch älter und liefern mit ihren Jahrringkurven Wachstumsmuster, deren äußerer Bereich mit den inneren Jahrringen der heute gefällten Bäume übereinstimmt. Die inneren (älteren) Jahrringe dieser Fachwerkbalken passen zu Hölzern aus historischen Bauten oder archäologischen Fundstellen. Die auf diese Weise zusammengefügten Standardjahrringkurven (Chronologien) können mit noch älteren Bäumen aus Kiesgruben oder Mooren - immer weiter in die Vergangenheit zurück - verlängert werden.
So kann - mit dem dendrochronologischen Überbrückungsverfahren - aus vielen Bäumen schließlich eine mehrtausendjährige Jahrringchronologie aufgebaut werden, deren Verlauf durch den Wechsel von breiten und engen Jahrringen unverwechselbar ist
Der Hohenheimer Jahrringkalender
Im Jahrringlabor des Instituts für Botanik an der Universität Hohenheim ist es gelungen, einen ununterbrochenen Jahrringkalender aufzubauen, der von heute rund 12.500 Jahre bis an das Ende der letzten Eiszeit zurück reicht. Derzeit wird an einer Verlängerung bis 14.400 vor heute gearbeitet.
Diese lange Chronologie besteht aus einer sehr großen Zahl von Bäumen und Holzproben aus Mitteleuropa, darunter 6000 sogenannte Mooreichen und Kiefern aus Kiesgruben der süd- und ostdeutschen Flüsse.
Dieser Jahrringkalender ist heute der längste der Welt.
Mit ihm kann man Holz aus Fachwerkhäusern, von Kunstwerken oder Musikinstrumenten ebenso präzise datieren wie urgeschichtliche Pfahlbauten oder späteiszeitliche Kiefernstämme. So wurden beispielsweise die steinzeitlichen Pfahlbausiedlungen am Bodensee, die keltische Heuneburg an der Donau, hölzerne Brunnen des römischen Limes bei Rainau-Buch und eine Vielzahl von Kirchen und Fachwerkgebäuden aus dem Mittelalter exakt datiert.
2000 Jahre aus dem Hohenheimer Jahrringkalender
Mit 400 Jahrringen einer mächtigen Tanne aus dem Schwarzwald beginnt der Kalender (rechts). Die Bohrkerne und Balkenabschnitte stammen von Fachwerkhäusern und anderen Holzkonstruktionen aus verschiedenen Regionen in Baden-Württemberg. Im älteren Abschnitt sind es "subfossile" Auwaldeichen, die in Kiesgruben von Donau und Rhein gefunden wurden - neben Hölzern aus archäologischen Ausgrabungen. Die Tannen (helleres Holz) und Eichen (dunkleres Holz) sind zwischen der Zeitenwende und heute gewachsen. Sie überdecken damit die letzten 2000 Jahre.
Bäume als Klima- und Umweltarchive
Bäume "speichern" in ihren Jahrringen auch Ereignisse wie Waldbrände, Schädlingsbefall oder Hochwässer.
Und sie dokumentieren das Wetter. Trockene Sommer oder strenge Winter ergeben bei uns schmale Ringe - feuchte, milde Jahre dagegen breite. Ein typisches Beispiel ist das Trockenjahr 1976, das sich in fast allen Bäumen Süddeutschlands als sehr schmaler Ring wiederfindet.
In den Baumringen findet sich auch ein wichtiger Teil der Geschichte der Universität Hohenheim wieder: Der Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien 1815 verursachte im darauffolgenden Jahr auf der nördlichen Hemisphäre regional unterschiedliche Temperaturabsenkungen. Missernten und Hungersnöte waren die Folge. Das Jahr 1816 wird daher auch "Jahr ohne Sommer" genannt.
In diesem Jahr bestieg der junge König Wilhelm den württembergischen Thron. Um die schlimmste Not abzuwenden, sorgte er zusammen mit seiner Frau, der russischen Großfürstin Katharina dafür, dass Getreide aus Russland ins Land kam. Er stiftete 1817 für die Bevölkerung ein "Landwirthschaftliches Hauptfest zu Kannstadt" (aus dem sich das Cannstadter Volksfest entwickelte), das "zu Verbesserung der Landwirthschaft und Viehzucht im Königreich ermuntern" solle, so das königliche Stiftungsedikt. 1818 ließ er in Hohenheim, in dem Schloss, das Herzog Karl-Eugen gebaut hatte, eine landwirtschaftliche Lehranstalt einrichten, um die Bauern zu unterrichten, wie sie wirtschaften sollen, um nach Möglichkeit die Wiederholung einer so großen Hungersnot zu vermeiden.
Der HOHENHEIMER JAHRRINGKALENDER ist somit für die letzten 12.500 Jahre ein einzigartiges Archiv, das uns Jahr für Jahr Informationen über ehemalige Wetterabläufe liefert. Er ist deshalb heute neben dem Gletschereis und den Meeres- und Seesedimenten ein bedeutendes Weltklimaarchiv.
Hohenheimer Jahrringchronologien
Die Jahrringe von mehr als 5000 Eichenstämmen aus Kiesgruben verschiedener Flusstäler Süd- und Ostdeutschlands und viele tausend Holzproben aus Gebäuden und archäologischen Fundkomplexen wurden zum "Hohenheimer Eichenstandard" kombiniert. Der Hohenheimer Jahrringkalender ist weltweit die längste ununterbrochene Jahrringserie.